Die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber nimmt stetig weiter zu. Der Gemeinde Kernen i.R. werden zunehmend Flüchtlinge zur sog. Anschlussunterbringung vom Landkreis zugewiesen. Vor Ort ist also mehr denn je zu tun. Bürgermeister Altenberger: „Die Herausforderung liegt nicht im Bauen, sondern darin, Menschen an die Hand zu nehmen." (StZ vom 27.4.15). Ideen für eine gelungene Integration und Chancen für eine gute Nachbarschaft sind in Kernen (gesamt!) gefragt.
Im Hinblick auf Integration ist die Einzelunterbringung von Flüchtlingen jeglichen Status einer Gemeinschaftsunterbringung vorzuziehen. Doch die Einzelunterbringung als solche bewerkstelligt allein noch keine Integration. Auch bei Flüchtlingen in Einzelunterbringung wurden Tendenzen der sozialen Isolation beobachtet. Eine frühzeitige Einzelunterbringung ist aber immer noch eher die Ausnahme. Auch wenn die Einzelunterbringung von Flüchtlingen manchmal nicht unproblematisch ist, ist sie im Hinblick auf Integration gegenüber der oftmals sehr belastenden Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften vorzuziehen.
In kleineren Kommunen spielt die soziale Integration von Flüchtlingen in die lokale Gesellschaft eine viel wichtigere Rolle als in Großstädten, die mit ihren vielfältigen Einwanderer-Communities alternative Möglichkeiten des sozialen Kontakts bieten. In Kernen ist daher die Etablierung von Treffpunkten, die eine Begegnung zwischen Flüchtlingen und Bürgern ermöglichen, eine vielversprechende Maßnahme, um soziale Integration zu unterstützen und Kontaktängste auf Seiten der einheimischen Bevölkerung abzubauen. Hier könnte ja vielleicht eine Begegnungsmöglichkeit in unserem neuen Bürgerhaus eingerichtet werden.
Leider ist für Flüchtlinge ein frühzeitiger Zugang zu Sprachkursen und berufsfördernden Maßnahmen in Deutschland immer noch die Ausnahme. Daher sollte sich m.E. Kernen bemühen, Flüchtlingen frühzeitig zu deutschen Sprachkenntnissen und beruflicher Eingliederung zu verhelfen, was die soziale und wirtschaftliche Integration von Asylbewerbern und Geduldeten entscheidend befördern kann. Studien zufolge schätzten sich Flüchtlinge, die an Sprachkursen oder berufsqualifizierenden Kursen und Praktika teilgenommen hatten, aber auch Personen, die an organisierten sozialen Kontaktmöglichkeiten partizipierten, als besser integriert ein, als Personen, die dies nicht taten. Die persönliche Bindung an eine Stadt/Gemeinde und auch das Gefühl persönlicher Zufriedenheit war unter den Befragten höher, je mehr vor Ort die Gelegenheit bestand, an Integrationsmaßnahmen teilzunehmen.
Der Gesundheitszustand von Flüchtlingen ist tendenziell schlecht. Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge haben einen Anspruch auf medizinische Behandlung in der Regel nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzuständen. Für typische Krankheitsbilder unter Flüchtlingen, wie Schlaflosigkeit, nervöse Zustände, Depressionen, chronische Kopfschmerzen etc., gibt es oftmals keine angemessene medizinische Behandlung. Maßnahmen der Gesundheitsprävention und Anleitungen zur medizinischen Selbsthilfe wären ein sinnvolles Angebot.
Die Gemeinde Kernen ist jetzt gefordert, tatkräftig und konstruktiv dazu beizutragen, dass eine gute und menschenwürdige Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen bei uns gelingt. Engagement, Überzeugungskraft, gute Zusammenarbeit mit Behörden und Immobilienbesitzern sowie Hilfestellungen für die Flüchtlinge sind gefragt, um den nötigen Wohnraum zu finden. Zur Integration und Betreuung von Asylbewerbern in der Anschlussunterbringung in Kernen ist ebenso ein Konzept gefragt.
Fakt ist, dass die Flüchtlinge eine bessere Sozialberatung erhalten müssten. Eine ordentliche Versorgung der Menschen ist häufig nicht gewährleistet. Die Unsicherheit der Menschen ist doch nachzuvollziehen, denn in den Flüchtlingsheimen kommt es nicht selten zu Konflikten. Ethnische Unterschiede sorgen für Konflikte, die Flüchtlinge sind oftmals traumatisiert. Auf all die Bürgerfragen zur Integration und Betreuung der Flüchtlinge wurde noch keine zufriedenstellende Antwort gegeben bei der Informationsveranstaltung im März bzw. bei weiteren Gesprächsgesuchen mit dem Bürgermeister Altenberger. Die Gemeindeverwaltung sieht sich nur in der Pflicht, sich um die Unterbringung zu kümmern. Alles Weitere gibt sich, heißt es da.
Es kann aber doch nicht angehen, dass es leerstehende Gebäude in Kernen gibt, die nicht genutzt werden und deshalb die Kinder und Jugendlichen in der Seestraße auf die Straße gedrängt werden. Jeder, der dagegen ist, sollte dies auch hier kundtun!
Auch in Stetten gibt es genügend Möglichkeiten, wenn man nur bereit ist, diese am Gemeinwohl orientiert zu betrachten, selbst wenn man persönlich im Gemeinderat davon betroffen ist, so hat das Interesse des Gemeinwohls in einer Demokratie immer noch Vorrang.
Wir sollten dieses große Bürgerinteresse bei der Diskussion um die Standortwahl in ein großes Bürgerengagement ummünzen. Denn Hilfe ist gefragt, jeder ist in der Lage etwas zu tun und kann Nächstenliebe zeigen. Der Arbeitskreis Asyl ist nicht in der Lage, die vielen neuen Flüchtlinge allein zu betreuen, zumal die Zahlen der Flüchtlinge, die Kernen 2016 aufnehmen muss, noch nicht sicher sind. In vielen Orten gibt es Initiativen und Organisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Sie veranstalten Sprachcafés oder Gottesdienste für die Flüchtlinge. Auch in Kernen heißt es jetzt, wenn es um weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Asylsuchende geht, aktiv zu werden. Bürgerinnen und Bürger müssen kreativ werden, bieten vielleicht sogar eigene Immobilien an. Aber das Wichtigste was die Flüchtlinge brauchen ist Wertschätzung. Vorurteilsfreie Begegnung, auf der Straße, im Supermarkt oder im Bus. Nicht wegschauen, sondern hinsehen. Freundlich grüßen. Wie wir es mit jedem anderen Nachbarn auch machen würden.
Bereits 2005 hat die Dipl.-Psych. Nina Lilienthal in einer qualitativen Studie den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und dem Aufrechterhalten von posttraumatischen Symptomen bei Flüchtlingen untersucht. Sie konnte zeigen, dass eine Beschäftigung (obwohl diese nur in einem geschützen Rahmen in einer Patientenwerkstatt stattfand) zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome führte. Zitat eines Flüchtlings: "Ich werde verrückt, wenn ich nicht arbeite. Ich glaube, jeder Mensch, der nicht arbeitet, wird nervös. Ich fühle mich ganz einfach schrecklich. Durch eine Arbeit kann man heilen. Reale Integration von Flüchtlingen bedeutet daher für mich, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt zu arbeiten. Jeder möchte sich wirksam fühlen, egal woher er kommt.